Du, Trainer, mach doch mal...

Ein Satz, den ich sehr oft in meinem Alltag höre. Dicht gefolgt von: "Also in zwei Monaten geht das ja dann,..." 

 

Wenn ich zurückdenke, kann ich mich nicht erinnern, dass wir damals schon Pferde mit solch einem problematischen Verhalten hatten. Mittlerweile geht der Trend immer mehr zu Pferden aus dem Ausland. Polen, Tschechien, Rumänien, Spanien und Irland sind wohl die geläufigsten Länder, aus denen die Deutschen ihre Pferde importieren. Meist, um etwas Gutes zu tun. Leider kommen die wenigsten Menschen mit den Pferden auch wirklich gut zurecht. Bei dem Einen kommt der Moment, an dem nichts mehr geht, früher, bei dem Anderen später. Gerade bei Spaniern ist mir aufgefallen, dass es oft nur zwei Extreme gibt: Entweder, der Spanier greift an oder er hat Angst vor allem und jedem. Das heißt nicht, dass dies auf jedes Pferd zutrifft! Aber die Spanier, die ein problematisches Verhalten gezeigt haben und zu denen ich hinzu gerufen wurde, gab es genau diese zwei Verhaltensmuster: Angst oder Angriff.

Und dann kommen die Besitzer ins Spiel - natürlich möchte man das Pferd, das man gerade erst aus so schlechten Verhältnissen gerettet hat, nicht schon wieder verkaufen müssen - immerhin hält man am Traum fest, dass das Pferd einem bis an sein Lebensende dankbar hinterherläuft wie ein Hund. Andererseits möchte man aber auch nicht mehr endlos viel Geld ins Pferd reinstecken, denn gerade bei Extremfällen, weiß man ja nicht, "ob das nochmals was wird". 

Und so heißt es dann: "Trainer mach mal,..." oder "In spätestens zwei Monaten geht das ja dann,... ". Und genau dieser Zeitdruck ist es, der  dem Pferdetrainer das Leben so schwer macht, denn was viele Pferdebesitzer in dieser Situation unterschätzen ist zum Einen, dass jedes Pferd ein Individuum ist und so, individuell schnell oder langsam lernt und dass das Problem bei vielen Auslandspferden oft tiefer verankert ist, als man zu Beginn meist vermutet. Warum? Vielen ist die Tragweite des Verhaltens gar nicht bewusst, weil sie das Pferd - gerade zu Beginn - oft in Watte einpacken, weil sie Mitleid haben und so oft nicht das ganze Ausmaß gesehen werden kann. Ich weiß, wie schwer es ist, kein Mitleid aufkommen zu lassen, denn auch mir schnürt es regelmäßig Herz und Kehle zu, wenn ich sehe, wie viel Angst manche Pferde vor uns Menschen haben und ich mich fragen muss, was man diesem Tier angetan haben muss, dass es eine solche Todesangst hat. Allerdings existiert Mitleid in einer Pferdeherde nicht. Die Leitstute hat bspw. Zugriff auf die Ressource "Futter" und wird auch einen Jährling vertreiben, der fast verhungert ist, wenn sie Hunger hat. Denn für den Fortbestand einer Herde ist es maßgeblich, dass die Starken überleben, und nicht die Schwachen. Wenn ich nun also voller Mitleid mit meinem Pferd umgehe und arbeite, so werde ich in vielen Situationen nicht klar und konsequent sein. Ein Umstand, der es nicht nur meinem Pferd sehr schwer macht, (denn ein guter Anführer ist immer jemand, der berechenbar, fair und konsequent ist und eine Konstanze bildet, jemand, auf den man sich verlassen kann und von dem man weiß, dass er immer die richtige Entscheidungen trifft - eine falsche Entscheidung kann in der Wildnis den Tod bedeuten!) sondern auch mir selbst. Gerade Pferden, die gelernt haben, dass Angriff die beste Verteidigung ist, gebe ich so den besten Nährboden. Vielleicht sind sie die ersten Tage noch etwas verhalten, schauen sich alles erst einmal in Ruhe an oder aber sie stehen körperlich schlecht da und beginnen ihr Verhalten zu ändern, sobald sie körperlich aufgebaut haben. Bitte nicht falsch verstehen, nicht jedes Pferd aus dem Ausland ist schlecht, angriffslustig oder sonst irgendwas - das sind einfach nur Erfahrungswerte von den Pferden, welche eben solch ein Verhalten an den Tag legen. Und wenn ich als Besitzer mit einem angriffslustigen oder sehr ängstlichen Pferd noch selber herumdoktore und einige Zeit ins Land geht, festigt sich das Verhalten immer mehr und mehr. Und einem Trainer dann zwei oder drei Monate Zeit zu geben, um das Pferd wieder komplett umzukrempeln, ist einfach nur unfair dem Pferd gegenüber. Dessen sollte man sich bewusst werden. Pferde sind Individuen und jedes Pferd braucht seine eigene Zeit, hat sein eigenes Tempo, um etwas Schlechtes überschreiben zu können mit positiven Erfahrungen. Und genau diese Zeit sollte man ihm geben, um auch nachhaltig arbeiten zu können.

 

Doch nicht nur der Faktor Zeit ist etwas, das mir zu diesem Thema einfällt. Nicht nur einmal habe ich Menschen erlebt, welche bei mir anriefen und sagten: "Einen Beritt kann (oder will) ich mir nicht leisten, aber ich habe da dieses Pferd, das jeden herunterbockt, der sich auf das Pferd drauf setzt. Durchgecheckt ist es. Also komm doch vorbei und setzte dich mal drauf und reite es hier bei mir." Ganz ehrlich? Was soll ich zwischen Tür und Angel ausrichten können? Wenn das Pferd bis jetzt jeden abgeworfen hat, der es reiten wollte, wird es auch mich abbocken - früher oder später. Natürlich gibt es hier Wege, um ein Pferd am Bocken zu hindern und vielleicht habe ich Glück und kann das Pferd daran hindern. Aber wenn nicht, wird das Pferd für sich wieder einen "Erfolg" verbuchen können, anstatt dass man nach der Ursache sucht - (und das vielleicht nur, um Zeit, Geld und Mühe zu sparen.) Denn für mich steht nicht die Symptombehandlung im Vordergrund, sondern die Ursachenforschung. Denn erst, wenn ich die Ursache kenne, kann ich am Kern des Problems arbeiten und nur so kann ich eine dauerhafte Verbesserung für Mensch und Pferd erreichen, damit diese wieder im Einklang und in Harmonie miteinander leben und arbeiten können.