Desensibilisierung

Die Desensibilisierung - immer mehr Menschen erkennen den Mehrwert für sich und ihr Pferd darin. Manchmal hapert es aber noch an der Ausführung oder an den Ideen: Mit was kann ich mein Pferd desensibilisieren? Wie gehe ich an dieses Thema heran?

 

In meinem Alltag erlebe ich immer mehr Menschen, die mit ihren (Jung-) Pferden an der Desensibilisierung arbeiten. Eine großartige Entwicklung, denn diese Form des Trainings bringt nicht nur Abwechslung in den Alltag unserer Pferde, sondern stärkt auch das Vertrauen in der Pferd-Mensch-Beziehung. Außerdem gelangen die Pferde so zu mehr Gelassenheit. Nicht selten werden mir Pferde vorgestellt, die gut geritten sind, bei denen der Besitzer aber fast in Ohnmacht fällt, wenn man auf ihnen eine "spektakuläre" Bewegung macht, wie bspw. das Taschentuch aus der Tasche holen. Denn dann wird das so gut gerittene Pferd schnell zum Rodeo- oder Rennpferd. 

Um genau das zu verhindern lernen meine Berittpferde alles mögliche kennen, das sich vor, neben, an oder über ihnen befindet, ehe wir an den eigentlichen Anreitprozess gehen.

 

Doch mit was kann ich mein Pferd desensibilisieren? Die Antwort ist einfach: Eigentlich mit allem! Bei uns sind das Planen, Kanister, Flaggen, Fahnen, Klapperdosen, unser Trailparcour mit Wippen, Hängebrücken und ähnlichem, aber auch Schwimmnudeln, Flatterbänder und vieles mehr lernen meine Berittpferde kennen. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt - und so läuft nicht selten ein Pferd über den Platz oder durch die Halle, das mehr geschmückt ist als ein Weihnachtsbaum. So sind Fähnchen am Sattel befestigt, Kanister und Klapperdosen werden über den Sattel gelegt und über das alles kommt noch eine Plane. Ich selbst arbeite vor dem Pferd noch mit einer großen Flagge. Und so geht es nicht selten dann auf den Trailparcour.

 

Es gibt ein Sprichwort: "Meilen schulen den Charakter deines Pferdes." Das bedeutet: Je mehr dein Pferd sieht und kennenlernt, desto gelassener wird es werden. Mit Kanistern und Klapperdosen, die über den Sattel gelegt werden, imitiere ich nicht nur plötzliche Geräusche hinter, seitlich oder über dem Pferd, sondern auch plötzliche Bewegungen. Denn auch an solche Gegebenheiten sollte mein Pferd gewöhnt sein. Erst dann kann es ein zuverlässiger und verlässlicher Partner in allen Lebenslagen werden und auch selbst entspannter durch das Leben geht. Wenn man sich überlegt, welchem Stress ein unsicheres Pferd ausgesetzt ist, das nie sonderlich viel kennengelernt hat, so ist es zum Wohle des Pferdes doch deutlich besser, wenn man die Desensibilisierung dem "In-Watte-packen" vorzieht.

 

Doch wie gehe ich richtig an die Desensibilisierung? Auch hier ist die Antwort wieder sehr einfach: So natürlich wie möglich!

Stellen wir uns einmal folgende Situation vor: Ich verstecke etwas in meinen Händen, verberge es halb hinter dem Rücken und schleiche auf dich zu. Leise flüstere ich dir zu:" Du, ich hab etwas, das möchte ich dir gern zeigen. Aber, also ich weiß nicht, ob du das schaffst. Es ist schon etwas unheimlich. Puh, ich habe selbst etwas Angst davor, dir das zu zeigen. Meinst du, du bist mutig genug? Also ich weiß auch nicht, ob ich mutig genug dafür bin. Nicht, dass es doch tödlich ist!" Langsam hole ich meine Hände hinter dem Rücken vor, gehe mit vorgestreckten Händen auf dich zu. Ziehe die Hände wieder zurück, hole tief Luft, strecke sie dir wieder entgegen und bin selbst total auf Spannung. Würdest DU dann noch wissen wollen, was ich dir zeigen möchte? Sicher nicht!

Und doch nähern sich viele Menschen ihrem Pferd genau so, wenn sie es desensibilisieren möchten. Viel zu vorsichtig, verstecken den Gegenstand heimtückisch in der Hand (das hat etwas von der Gabe der Wurmkur) und reden beruhigend auf das Pferd ein. Für das Pferd gestaltet sich so eine Situation, die höchst suspekt ist und es wird eher in Alarm- und Fluchtbereitschaft sein, als würde ich es einfach so gestalten:

Ich gehe selbstsicher und ruhig auf mein Pferd zu, habe den Gegenstand, den mein Pferd kennenlernen soll, ganz normal in der Hand und berühre es einfach. Wenn mein Pferd wegspringt oder losläuft, bleibe ich einfach "am Ball" und fahre fort, bis mein Pferd stehen bleibt, dann entferne ich mich sofort mit dem Gegenstand, nehme so den Druck heraus.

Mein Pferd lernt, dass ihm nichts passiert und dass es mir wirklich vertrauen kann - wenn ich sage, dass uns der Gegenstand nicht frisst, der so schrecklich aussieht, dann ist das auch so. Je natürlicher und selbstsicherer ich mich gebe, desto einfacher wird es für das Pferd werden.

 

In diesem Sinne ihr Lieben: Packt eure Pferde nicht zu sehr in Watte, ihr tut ihnen damit keinen Gefallen! Zeigt ihnen die große weite Welt mit allen möglichen Situationen & Gegenständen und ihr bekommt ein verlässliches Pferd geschenkt, das Vertrauen in euch und euer Urteilsvermögen bekommt.