Gedanken zur Jungpferdeausbildung

Die Tage durfte ich mit einem sehr hübschen, wenn auch sehr aufmüpfigen jungen Mann Bekanntschaft machen. Der junge Friese ist sehr respektlos dem Menschen gegenüber und noch mag er mit seinem einen Jahr ein halbes Kind sein, aber wenn hier nicht an der ganzen Thematik gearbeitet wird, kann es schnell sehr gefährlich werden, denn der Bub bleibt ja nicht so „klein“. Ich selbst finde es wahnsinnig wichtig, dass Jungpferde so früh wie möglich viel kennen lernen- natürlich ohne sie zu überfordern, denn ich kann mit einem Jährling oder einem Zweijährigen keine halbe Stunde oder Stunde arbeiten, davor hat er mich schon ausgeblendet und schwebt auf Wolke sieben. Es ist wichtig, ein Jungpferd nicht zu überfordern, nur so kann es aufmerksam bleiben und hat Spaß an der Arbeit, ist motiviert bei mir. Genauso ist es wichtig, das Jungpferd selbst heraus finden zu lassen, was ich gerade von ihm möchte. Dies kann ich bspw erreichen, indem ich ihm das unerwünschte Verhalten unangenehm (nicht unmöglich) mache und das gewünschte so angenehm wie möglich, indem er sich zum Beispiel entspannen darf und gestreichelt wird. Früher sagte man immer: „Meilen Schulen den Charakter eines Pferdes“
Was hat es damit auf sich? Nun, lernt mein Pferd gerade in jungen Jahren vieles kennen, erlebt viele verschiedene Situationen, lernt allerhand „gruselige“ Gegenstände kennen und darf viel mit dabei sein, so habe ich später natürlich ein deutlich gelasseneres Pferd. Aussacken ist hier vielen ein Begriff und es ist ein wertvoller Bestandteil in der Ausbildung, denn so konfrontiere ich mein Pferd mit vielen Dingen - Planen, Fahnen, Rappeldosen usw. Dadurch erreiche ich gleich mehrere Aspekte: Mein Pferd wird gelassener und souveräner und gleichzeitig fördere ich das Vertrauen des Pferdes zu mir. Vielleicht sagt sich mein Jungspund: „Oh Gott, jetzt nimmt er das gruselige Ding - ich weiß ganz genau, dass ich jetzt gefressen werde“ und ich sage: „Ach was, ich will dich damit doch nur berühren“. Im besten Fall springt mein Pony noch zur Seite und sein Fluchtinstinkt setzt ein. In dem Zeitpunkt bleibe ich ganz ruhig dran und mache einfach weiter, lasse mein Pferd seinen Weg finden. Wenn mein Jungpferd dann kurz stehen bleibt und ich es berühren kann, drehe ich mich sofort weg und gehe ein bisschen spazieren.
Jetzt sagt sich das Pony: „Boa Alter, spinnst du!?“
Und ich sage: „Nein, ich wollte dir das Ding nur mal zeigen , ich fand es ganz interessant“
So kann ich mir Schritt für Schritt das Vertrauen aufbauen, denn mein Pony sagt, „der konfrontiert mich hier mit so unheimlichen und schrecklichen Dingen - aber passiert ist mir bis jetzt nichts. Der wird wohl wissen, was er tut!“
Und noch einen wichtigen Punkt möchte ich hier ansprechen: Ich bin kein Freund davon, mein Pferd zaghaft an ihm unheimliche Gegenstände zu gewöhnen. Das bedeutet nicht, dass ich an meinem Pferd rum reiße oder sonst etwas! Aber ich sehe viele Menschen, die ihr Pferd an etwas gewöhnen wollen und das sehr langsam und behutsam tun. Nun, bewegt sich eine Plane draußen bei starkem Wind behutsam? Oder würdest du dich nicht fürchten, wenn deine Bekannte auf dich zugeschlichen kommt, mit den Händen auf dem Rücken, sich mehrfach umschaut und langsam an dich heran tritt und Dir ins Ohr flüstert „Ich muss dir was zeigen“. Ganz ehrlich? In dem Moment, in dem sie die Hände nach vorne nimmt, wäre ich auf nimmer Wiedersehen verschwunden. Soll heißen: Es ist nicht immer gut, sein Pferd in Watte zu packen, denn das ist es in unserer Welt auch nicht.
Viele kritisieren es, Pferde auch mal in Stress zu versetzen. Aber ist unsere Welt nicht voller Stress? Voll Zeitdruck? Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, dem Pferd zu zeigen, dass es sich auch in einer Stresssituation auf mich verlassen kann und ich ihm nicht weh tue. Und nochmal zurück zu unserer Plane draußen. Oder zum rücksichtslosen LKW-Fahrer oder dem Kind, das seinen Ball Richtung Pferd schießt. Nehmen sie Rücksicht auf mein Pferd und packen es in Watte? Nein!Gewöhne ich mein Pferd selbstbewusst und ruhig an alles und spiele nicht Wendy, werde ich ein viel gelasseneres Pferd gewinnen, einen Partner, auf den ich mich auch in einer stressigen, unangenehmen Situation verlassen kann und er sich auf mich. Heißt: Ich verstecke die Plane nicht in der Hand und nähere mich vorsichtig meinem Pferd. Ich nehme die Plane und sage: „Hey mein Bub, schau mal ich hab eine große Plane, mit der will ich dich gern eindecken“. Und mein Jungpferd sagt: „Man Alter du spinnst doch, das verschlingt mich mit Haut und Haaren“. Meine Antwort: „Mach dir keine Sorgen, die Plane frisst dich nicht, ich will dir das nur zeigen und bin bei dir“. Dies festigt nicht nur das Vertrauen sondern auch meine Glaubwürdigkeit meinem Pferd gegenüber, denn es sagt sich: „Egal mit was für schrecklichen Dingen der kommt - passieren tut mir dennoch nichts“. Und genau das macht eine Leitstute, in dem Fall dich in eurer Zweierherde, aus - sie führt Ihre Herde auch in einer stressigen Situationen souverän ans Ziel, ist ein Fels in der Brandung der die Verantwortung übernimmt.

Ich bin fast jeden Tag bei auswärtigen Terminen und habe mehrere Berittpferde und immer wieder wundere ich mich darüber, wie viele Menschen bei der Ausbildung ihrer Pferde das wichtigste vergessen - Grundlagen: Bleib ruhig neben mir stehen. Bleib mit deiner Aufmerksamkeit bei mir. Überhole mich nicht. Achte auf mich. Wer kennt es nicht; Pferde die in ihren Menschen rein laufen, wenn sie sich erschrecken oder ihn mit der Schulter weg schieben, wenn er was fordert, dessen Umsetzung das Pferd als nicht allzu wichtig erachtet und sich so der Konfrontation entzieht und gleichzeitig sagt, „mach dich vom Acker.“
Aber gerade der Aspekt „Achte auf mich“ ist unglaublich wichtig: Schubse mich nicht. Remple mich nicht um. Schnappe nicht an meiner Jacke herum. Bedränge mich nicht und renne nicht in mich rein - selbst wenn du dich erschreckst. Viele finden es süß, wenn ihnen ihr Pferd die Nase ins Gesicht streckt. Für sie ist es eine Art Zuneigung. Doch es ist das genaue Gegenteil: Das Pferd nimmt deinen Raum ein. Halte es auf Abstand und sage ihm bestimmt aber freundlich, dass es deinen Raum respektieren soll. Ist eure Rangordnung geklärt spricht natürlich nichts gegen Kuscheleinheiten. Ansonsten ist es wichtig, dass das Pferd nicht in Eigenregie deinen Raum einnimmt. Sonst hast du schneller als Dir lieb ist einen aufmüpfigen Jungspund. So wie der Friesenjährling. Ständig hatte er seine Nase bei mir im Gesicht, hat an meiner Jacke rumgezwickt und ist gegen mich gelaufen. Bin ich nicht ausgewichen, hat er mich wie ein Panzer weg geschoben, ist einfach über mich drüber gelaufen. Und das als Jährling. Ich denke wir können uns alle vorstellen, was passiert wenn er dreijährig ist und weiß wie viel Kraft er hat. Und gerade hier ist es noch leicht, einen Jährling zu überzeugen. Später, wenn er älter ist, bekommst du so ein Rüpelverhalten auch noch raus, aber du musst genau wissen wie, brauchst mehr Zeit und Energie, die du da hinein stecken musst. Einen Jährling überzeugst du relativ schnell, denn er ist wie schon gesagt noch ein halbes Kind und weiß eigentlich noch gar nichts und ist froh, wenn da jemand kommt und für ihn die Verantwortung über- und die Entscheidung abnimmt.
Das nächste an diesem beschriebenen Szenario ist folgendes: Sicher habt ihr schon Menschen beobachtet, die eine weiche Pferdenase ins Gesicht gestreckt bekommen haben. Vielleicht wird es irgendwann unangenehm oder das Pferd macht einen Schritt nach vorne. In 95% der Fälle siehst du dann Menschen, die einen Schritt nach hinten gehen oder sich zumindest verlehnen. Nun kommt der nächste Aspekt: Wer bewegt in diesem Moment wen? Ein rangniedriges Pferd wird sich in einer Herde niemals ungefragt einem Ranghöheren nähern oder ihm einfach seine Nase ins Gesicht strecken. Die Quittung hierfür wird er sofort bekommen, und sei es nur durch Drohgebärden.

Aber warum vergessen viele Menschen Grundlegendes in der Ausbildung ihres Pferdes? Viele richten den Fokus zu sehr auf das Reiten, die spätere Ausbildung vom Sattel aus und erachten das andere als Firlefanz. Doch das ist es keineswegs. Am Boden baust du dir alles auf - die Beziehung zu deinem Pferd, denn sie beginnt nicht im Sattel sondern in dem Moment in dem du den Stall betrittst. Du baust Dir auf, dass dein Pferd auf dich achtet, aufmerksam auf dich und das ist, was du forderst. Du baust Dir Vertrauen und Respekt (im Sinne von Akzeptanz) vom Boden aus. Du erarbeitest Dir Nachgiebigkeit vom Boden aus. Ein Pferd, das nicht nachgiebig ist, wird Dir immer gegen den Zügel oder gegen das Bein laufen. Diese und viele weitere Ausbildungsschritte beginnst du am Boden, denn was hier nicht funktioniert, funktioniert auch vom Sattel aus nicht. Und schon ist die Frage: „Muss ich wirklich vom Boden aus mit meinem Pferd arbeiten?“ beantwortet: Ja, denn hier kannst du dir so vieles erarbeiten, dass die Gewöhnung an den Sattel, das Reitergewicht und der erste Ritt eher nebensächlich für dein Pferd werden. Nimm dir Zeit für diese Dinge, gerade bei einem Jungpferd, denn so ersparst du dir viel Ärger, wenn es älter wird. So kennt dein Pferd schon viele Dinge, es wird nicht so aufmüpfig sein wie als wenn du es drei Jahre weg stellst, es also drei Jahre Harzt IV bezieht und du dann kommst und sagst: „Lass uns arbeiten“. Da wird dein Pferd Dir aber ganz schnell zeigen, was es davon hält.

Liebe Pferdebesitzer, unterschätzt nicht, wie wichtig es für ein Pferd ist, dass es eine Aufgabe hat, um physisch sowie psychisch ausgelastet zu sein - selbst ein Jährling. Unsere zwei Jungspunde freuen sich immer, wenn sie sich mit uns etwas erarbeiten können und eine Aufgabe bekommen. Natürlich fällt Ihnen auch allerhand Blödsinn ein, aber dann kann ich darauf ganz anders reagieren. Sie kennen es bspw bereits, auf dem Zirkel gearbeitet zu werden und die Hinterhand herum zu nehmen (natürlich Ihrem Älter entsprechend). So kann ich ganz anders reagieren, wenn er mich beim Führen doch mal anmacht, weil er gerne schneller auf der Wiese wäre und von meinem langsamen Tempo genervt ist. In diesem Fall schicke ich ihn um mich herum, lasse ihn die Richtung wechseln und die Hinterhand herum nehmen - im Klartext: Ich schicke ihn von mir weg und lasse ihn arbeiten. Zwei Dinge, die ein Pferd nicht möchte: Von der Herde getrennt sein und „unnötig“ Energie verschwenden, denn Pferde sind von Natur aus Energiesparer. Und schon habe ich ein Jungpferd, das den Kopf absenkt und sich laut und leckt und sagt: „Bitte lass mich wieder zu dir kommen und uns einen neuen Deal aushandeln“. Und ich lasse ihn wieder zu mir kommen, streichle und lobe ihn und sage: „Schau, ich wollte lediglich, dass du neben mir läufst, auf mich achtest und dich an mein Tempo anpasst. Machst du mich an, schicke ich dich weg und lasse dich arbeiten, mache dir das unerwünschte Verhalten also unangenehm. Läufst du brav neben mir und achtest auf mich, gehen wir einfach gemütlich unseren Weg und alles ist gut“

Natürlich erreiche ich nicht nur, dass mein Pferd gelassener ist und auf mich achtet und verschiedene Dinge kennt, wenn ich frühzeitig mit meinem Jungpferd arbeite, ich erreiche noch einen ganz anderen Aspekt: Ich entwickle eine ganz andere Beziehung zu meinem Pferd. Du kannst dir sicher vorstellen, was damit einem Pferd macht, das nichts kennt und du bist der-/diejenige, der ihm alles beibringt und es beim Aussacken durch die Höhle des Löwen führst, ohne dass es gefressen wird. Deine Beziehung, die Bindung und das Vertrauen deines Pferdes zu dir wird viel fester und inniger sein. Bringst du deinem Jungspund alles bei, konfrontierst ihn mit den unterschiedlichsten Dingen und lehrst ihn von Anfang an die grundlegenden Sachen, wirst du später weniger bis gar keine Schwierigkeiten haben und du lernst dein Pferd ganz anders kennen.

Ich bin froh, dass sich die Besitzerin des Friesen dazu entschlossen hat, sich Hilfe zu holen, denn früher oder später hätte er sie auch verletzen können und auch deshalb ist mir die richtige und „ausführliche“ Ausbildung bei Jungpferden so wichtig: Sie sind noch jung und wissen es oft nicht besser und es liegt in unserer Hand und obliegt unserer Verantwortung, dem Pferd zu zeigen, wie es sich in unserer Welt, die so anders ist als seine, benehmen muss, um ohne Schwierigkeiten sein Leben meistern zu können. Es liegt in unserer Hand und ist unsere Verantwortung, wie sich das Pferd im weiteren Verlauf und in seinem späteren Leben entwickelt. Und diese Verantwortung sollten wir ernst nehmen-in jeder Hinsicht!